„Es war der Hoffnungsschimmer einer religiösen Sehnsucht, es war der heilige Gral der Wissenschaft. Unsere höchsten und niedersten Erwartungen wurden geweckt von diesem wahr gewordenen Schöpfungsmythos, diesem ungeheuerlichen Akt der Selbstverliebtheit.“ (Zitat aus: Ian McEwan, „Maschinen wie ich“, S. 9, Diogenes 2019)
Frägt man Menschen, warum sie eigentlich diverse Medien aus der digitalen Welt, wie z.B. sogenannte ‚Soziale Medien‘ und dergleichen überhaupt brauchen, so erhält man oft Antworten, die – zumindest – verwundern; Antworten, die von der Angst handeln von der Entwicklung abgehängt zu werden, nicht mehr eingebunden, „nicht integriert“ zu sein. Umso erstaunlicher, als diese Argumente teilweise auch von Menschen, die bereits seit geraumer Zeit einen inneren Weg gehen, zu vernehmen sind.
Wie blickt der spirituelle Weisheitslehrer OM C. Parkin aus Sicht der Inneren Wissenschaft auf die Thematik des ‚Digitalen Zeitalters‘, was sagt seine Innere Lehre in diesem Zusammenhang über eine wirklich integrale Evolution?
Das digitale Zeitalter aus Sicht der Weisheitslehre – Auszüge
von OM C. Parkin
Texte aus Interviews, die Schüler mit OM C. Parkin führten
Es gibt die sogenannte „digitale Revolution“, die ausgelöst wurde durch die Erfindung des Computers, und es gibt einen Begriff, der damit verbunden ist, nämlich die „Zweite Moderne“. In der „Ersten Moderne“ ging es darum, dass Muskelkraft durch Dampfmaschinen ersetzt wurde und jetzt in der „Zweiten Moderne“ geht es darum, dass die Denkleistung des Menschen durch künstliche Intelligenz ersetzt wird.
OM (…) Aus Sicht der ewigen Weisheitslehre ist das digitale Zeitalter keine Revolution, es ist nicht einmal eine Referenz. Die digitale Revolution wird die Außenwelt sehr stark verändern, zum Guten, wie zum Schlechten, das ist sicher. Und sie markiert auch einen Schritt in der menschlichen Evolution. Doch die ewige Weisheitslehre und ihre Gesetzmäßigkeiten werden davon gänzlich unbeeindruckt bleiben. Angeführt wird diese Revolution von idealistischen Menschheitsbeglückern aus dem Silicon Valley in Kalifornien, die gemeinsam ein großes Missverständnis teilen. Sie alle unterliegen einer gravierenden Innen-/Außen- Ebenenverwechslung.
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Im denkenden Geist der digitalen Welteroberer herrscht der Glaube an eine religionssubstituierende Heilslehre für die gesamte Menschheit durch technologischen
Fortschritt. In meinen Worten: Sie verwechseln die scheinbar unendlichen, kreativen Möglichkeiten der digitalen Revolution und die lebensverbessernden Umstände für viele Menschen weltweit, die sie schaffen können, mit einem Erwachensweg für die Menschheit. Ein Erwachensweg ist ein innerer Weg und die führenden Köpfe dieser Revolution wissen vermutlich nicht einmal, was ein innerer Weg ist.
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(…) Es ist klar, dass es sich nicht um Weise handelt, aber vielleicht sollten wir die Frage stellen, ob es sich, menschlich gesehen, überhaupt um eine erwachsene Sicht handelt. (…) Das ist doch die Welt aus Kinderaugen betrachtet: Alles soll mir gehorchen, alles soll mir zur Verfügung stehen, ich schnippe mit den Fingern und der Mond dreht sich um die Sonne, wenn ich das will.
OM Es gibt in der digitalen Revolution und bei vielen involvierten Menschen starke Hinweise auf magisches Denken und auf Infantilität. Auch im Aufbau und der Strukturierung sozialer Medien finden wir sehr viele Hinweise auf Infantilität, in den Inhalten, mit denen sie gefüllt werden, sowieso. (…)
Die Idee, nicht erwachsen werden zu wollen, hat ja vordergründig die positive Absicht, kindliche Kreativität und Unbekümmertheit zu bewahren. Das sind durchaus Elemente, die im Geist des Silicon Valley sichtbar sind. Qualitäten, die im deutschen kollektiven Geist (der nicht Kind bleiben will, sondern das Kind übersprungen hat) eher unterbelichtet sind. Doch ist das Verständnis erwachsenen Menschseins des integralen Weges ein anderes. Im erwachsenen Menschen ist das Kind integriert, so dass seine Qualitäten nicht verloren wurden.
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„Mit dem Eintauchen in die sich stetig beschleunigende virtuelle Welt entfernt
sich der Mensch immer mehr von seiner Seele. Die Rückbindung an das
Herzzentrum ist für abendländische Menschen von großer Bedeutung.“
OM C. Parkin
Es ist kein Spezifikum von Digitalität, sondern überhaupt von der Technologie-Entwicklung, von der Technologie-Geschichte, wenn jede Technologie angepriesen wird mit größerer Bequemlichkeit. Wie erklärst du aus der Sicht der Weisheitslehre diese Attraktivität?
OM Es gibt Bedürfnisse der Seele, und es gibt Bedürfnisse des Geistes, die wir unterscheiden müssen. Und Bequemlichkeit ist ein Hauptbedürfnis des Ich-Geistes. Allerdings geht es nicht nur um Bequemlichkeit, sondern insbesondere auch um Schnelligkeit. Gier verlangt nach Schnelligkeit, um in immer kürzeren Zeitabständen immer mehr Informationen aufnehmen zu können, denn Aufgabe der Gier ist es, innere Löcher zu füllen. Da diese Löcher keinen Boden haben, müssen sie ständig nachgefüllt werden.
Jedoch ist die Unterscheidung zwischen Bedürfnissen der Seele und Bedürfnissen des denkenden Geistes eine, welche durch Technologien den Menschen nicht gelehrt werden kann. Jede Form der Technik ist ja per se weder gut noch schlecht, sondern lediglich ein Handwerkszeug, ein verlängerter Arm, aber von wem? Das ist eben die Frage. In wessen Diensten steht sie?
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Es ist also alles eine Frage in wessen Händen die Handwerkszeuge liegen?
OM Die Technologie-Visionäre preisen die Handwerkszeuge und ihre Möglichkeiten an. So, als seien sie selbst die Glücksbringer. Schon wieder eine Ebenenverwechslung. Es braucht eine Lehre, welche diese Unterscheidung überhaupt lehren kann. Es muss sich um eine Lehre handeln, welche sich nicht in den äußeren Werkzeugen verliert, sondern welche die Aufmerksamkeit nach innen richtet und die ein Wissen vermittelt über die große Unterscheidung des inneren Weges: Ich und Nicht-Ich. Seele und Geist. Realität und Illusion.
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(…) die Digitalisierung eröffnet beinahe grenzenlose Möglichkeiten für verbalen Ausdruck in schriftlicher oder gesprochener Form. Sie ist also potenziell ein hervorragender Katalysator des Ichs auf der rationalen Bewusstseinsstufe, ein Ego-Distributor. Ein Großteil der rationalen Kommunikation der Menschen dreht sich jedoch nicht um Inhalte – sie könnten mit einem Bruchteil der Worte möglicherwiese sehr viel klarer kommuniziert werden – sie dreht sich ausschließlich um die Kompensation von unbewusster Angst. Angst ist die verborgene Ursache vieler überflüssiger Worte. Wir müssten ohne Angst nur einen Bruchteil dessen sprechen, was wir sprechen. Ein viel größerer Teil würde sich in Stille kommunizieren.
Ohne Worte.
Das heißt, es gibt auch eine kollektive Zunahme von Angst. Früher im Mittelalter, könnte man ja sagen, hätten die Menschen noch viel mehr Angst haben müssen, weil es ja wirklich um Leben und Tod ging, ganz real?
OM Das ist eben die Frage, ob die Menschen im Mittelalter wirklich mehr Angst hatten. Je mehr Sicherheit wir im äußeren Leben erschaffen, je mehr die Planbarkeit und vermeintliche Kontrolle über den Tod zunimmt, desto mehr Angst haben wir. Der mehrfach thematisierte Größenwahn, das Projekt Unsterblichkeit des Ichs durch Ver-Geistigung in der digitalen Revolution, ist nichts anderes, als eine Rationalisierung unbewusster, also nicht zugänglicher Angst.
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Quelle: „Das digitale Zeitalter aus Sicht der Weisheitslehre“ von OM C. Parkin,
advaitaMedia 2017