Der Sog in die Scheinwirklichkeit
„Nichts ist geeigneter, uns zu der Erkenntnis des Elends der Menschen eingehen zu lassen, als die Betrachtung des wahren Grundes der beständigen Unruhe, in welcher sie ihr Leben hinbringen. (...) Die Seele findet in sich nichts, was sie befriedigte. Das zwingt sie, nach außen zu schweifen und den Versuch zu machen, in der Anhänglichkeit an äußere Dinge die Erinnerung ihres wahren Zustandes zu verlieren.“ (Blaise Pascal 1623-1662)
Im dritten Band der spirituellen Trilogie des Enneagramms betrachtet OM C. Parkin das Thema „Unerfüllte Liebe“ aus der Sicht der Weisheitslehre. Er zeigt die verfälschten Vorstellungen von Liebe im menschlichen Geist und den Weg der Wandlung in die Erkenntnis der göttlichen Liebe, des Ursprungs allen SEINS.
Das Enneagramm (griechisch: ennea – neun, gramma – Buchstabe) beschreibt als esoterisches Symbol grundlegende Gesetzmäßigkeiten des Universums. Neun Punkte auf einem Kreis stehen für neun „Fixierungen“ des menschlichen Geistes, an denen Entwicklung des Menschen „eingefroren“ ist; so entsteht ein Trugbild der Wirklichkeit, das die Realität nur aus einem bestimmten Blickwinkel und damit ausschnittsweise und verzerrt wahrnehmen lässt und so die Basis für einen bestimmen Persönlichkeitsstil bildet. Dabei entsteht der Verlust der Realität, wie sie IST. In seiner spirituellen Dimension dient das objektive Enneagramm jedoch auch als Werkzeug für innere Transformation.
„Das Verfolgen unerfüllter Wünsche
trägt dich in die Zukunft.
Zukunft ist immer unerfüllt.
Erfüllung ist JETZT."
OM C. Parkin
Unerfüllte Liebe
Das Streben in die Scheinwirklichkeit – Auszüge
von OM C. Parkin
Strebendes Wunsch-Leben
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Diese dritte und letzte Abhandlung zu den „drei geistig-emotionalen Säulen des Egos“ beschreibt Verknüpfungen im Unterbewusstsein in einer geistigen Welt, welche für die persönliche Realität eines Lebens in unerfüllter Liebe verantwortlich ist, eines Lebens, welches sich einer endgültigen Erfüllung zu verweigern scheint. Gibt es einen ebenso grundlegenden, wie paradoxen Zusammenhang zwischen einem Leben in erstrebten Wunschwelten des Ichs und der Erfahrung der unerfüllt bleibenden Liebe? Führt ich-haftes Streben auf dem inneren Weg zum ersehnten Ziel, oder steht es dem ersehnten Ziel gar im Wege? Und: Wie wandelt sich die Unerfülltheit?
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Die ständige Neuerschaffung und Aufrechterhaltung unerfüllter Wünsche ist ein unabdingbarer Bestandteil strebenden Lebens. In ihnen sieht dieses Ich das Vehikel seiner Verwirklichung. Wenn wir hingegen ein altes britisches Sprichwort ernst nehmen, kommen an dieser Verwirklichung Zweifel auf. Es heißt: Wenn Wünsche Pferde wären, würden die Bettler reiten. Der bewusste Anteil dieser unerfüllten Wunschwelten besteht 1. aus der Idee eines unerfüllten Istzustandes der Gegenwart, 2. aus der Idee eines erfüllten Sollzustandes, des ersehnten Zieles in der Zukunft und 3. in der zielstrebigen, leidenschaftlichen Überwindung der zeit-räumlichen Distanz, welche dazwischen liegt. Zutreffend ist das Bild des trabenden Esels, der eine vor seiner Nase hängende Karotte zu erhaschen versucht, die auf einem langen Stab auf seinem Rücken befestigt ist. Durch die Pendelbewegung der Karotte während des Strebens scheint das endgültige Ziel, die Vertilgung der Karotte – im übertragenen Sinne die endgültige Vereinigung mit dem Objekt der Begierde – immer wieder in greifbarer Nähe, doch begreift er nicht, der Esel, dass ein „Systemfehler“ strategischer Unerreichbarkeit das Spiel am Laufen hält. Um zu verstehen, was die Karotte auf Distanz hält und eine ersehnte Vereinigung am Ende unmöglich macht, gilt es, das Wesen eines Ideals näher zu beleuchten.
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Darshan mit OM C. Parkin – Dialoge zum Thema Liebe
Beziehung
An der Weggabelung des Verliebt-Seins
Kannst Du etwas über die Liebe, also das Verliebt-Sein zwischen Mann und Frau sagen? Warum ist das alles so schwierig?
OM Was ist deine persönliche Frage, die dahintersteckt?
Ja, wie geht man mit Schmerz um?
OM Ist es deine Erfahrung, dass Verliebt-Sein und Schmerz miteinander einhergehen?
Ja.
OM Der Schmerz kommt nicht vom Verliebt-Sein. Der Schmerz kommt von der Anhaftung an das, auf das sich das Verliebt-Sein richtet. Denn im Moment der Anhaftung entsteht unverzüglich die Angst, das Objekt der Anhaftung zu verlieren. Und dann kommt der Schmerz. Was das Verliebt-Sein so schwierig macht, ist die Vergessenheit. Die Vergessenheit deiner selbst. In dem Moment, in dem du dich verliebst, vergisst du dich.
Wie kann das sein?
OM Verliebt-Sein und Liebe sind nicht dasselbe. Verliebt-Sein ist bereits der potentielle Zug der Liebe nach außen, in die Veräußerlichung, hin zu einem Objekt und damit zu der Verwechslung zwischen der Liebe selbst und einem Objekt der Liebe. Du verliebst dich in ein Objekt Mann, beschäftigst dich mit dem Objekt, hegst und pflegst das Objekt, bemutterst das Objekt, am Ende besitzt du das Objekt und nennst das Verliebt-Sein. Deine gesamte Aufmerksamkeit wird von dem geliebten Objekt absorbiert, während sie innerlich verloren geht. Das ist das Vergessen. Das ist nicht die Liebe, auch wenn der gewöhnliche Mensch dieses Geschehen immer noch „Liebe“ nennt. Der innere Lehrer nennt es das konditionierte Verliebt-Sein des Geistes in sich selbst, in die Spiegelung seiner selbst.
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Die Fülle im Nicht-Vorhandenen und der Mangel im Vorhandenen
Ich lebe in einer Welt des Mangels. Es ist nie, wie es sein sollte. Das ist vielleicht nicht natürlich, doch wie entkomme ich dem Gefühl des Mangels?
OM Was treibt dich in den Mangel?
Es immer anders haben zu wollen, als es ist.
OM Es ist nachvollziehbar, dass das, was dann ist, als ein Mangelzustand erscheint. Während die Fülle in dem ist, wie es sein sollte. Ist das richtig?
Ja, die Fülle ist dann dadurch nicht vorhanden.
OM Die Fülle im Nicht-Vorhandenen und der Mangel im Vorhandenen, meinst du das?
Ja.
OM Das ist eine merkwürdige Verdrehung des SEINS. Der Mangel im Sein und die Fülle im Nichtsein. Ist das nicht eine verirrte Umkehrung, die Fülle im Nichtsein entdecken zu wollen, während im Sein beständiger Mangel herrscht?
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Quelle: „Unerfüllte Liebe – Der Sog in die Scheinwirklichkeit“ von OM C. Parkin, advaitaMedia 2022