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Innere Wissenschaft

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Vortrag mit OM C. Parkin

Quelle: Auszug aus einem Vortrag vom 12.1.04 in Hamburg

Das Thema unseres heutigen Abends ist „Innere Wissenschaft“, und ich möchte diesen gemeinsamen Abend nutzen, um der äußeren wissenschaftlichen Erforschung der Realität einen inneren Weg, eine innere Wissenschaft gegenüber zu stellen. Die innere Wissenschaft ist kein geläufiger Begriff, auch nicht für Menschen auf dem inneren Weg. Ich möchte diesen Abend nutzen, um zu klären, was innere Wissenschaft ist, wie sie möglich ist und wie sie nicht möglich ist.

Nun verstehen wir Wissenschaft zunächst im allgemeinen als die Gesamtheit menschlicher Erkenntnisse einer Epoche bezogen auf einen ganz bestimmten Gegenstandsbereich. Die Definition lautet nicht: die Gesamtheit menschlichen Verständnisses, konditioniert durch individuelle und kulturelle Grundannahmen und Vorurteile. Ich möchte also zunächst, um mich überhaupt der Wissenschaftlichkeit anzunähern, ein Verständnis darüber gewinnen, was der Unterschied ist zwischen Erkennen und Verstehen. Diese beiden Begriffe werden im geistigen Verständnis von Menschen wie Kraut und Rüben durcheinander gewirbelt und ich möchte hier eine sehr scharfe Trennlinie ziehen, die für das Verständnis wahrer Wissenschaftlichkeit sehr wesentlich ist.

Das Verstehen ist das Denkwerk eines Denkers, der sich für ein eigenes in irgend einer Form getrenntes Individuum hält, während ich Erkenntnis als eine direkte Schau, eine nicht denkende Schau in die Realität bezeichne. Dieser Unterschied wird deutlich in einem Bild aus der Zen-Tradition, das von zwei Restaurantbesuchern spricht. Der eine Besucher liest das Menü und der andere Besucher isst sein Essen. Nun könnte man einwenden, dass es ja eigentlich kein Problem ist, ein Menü zu lesen, denn jeder müsse ja das Menü lesen, bevor er isst. Die Schwierigkeit, auf die dieses Bild eigentlich hindeutet, ist nicht, dass es Menschen gibt, die ihr Leben damit verbringen, die Menükarte zu lesen und zu studieren und auf der anderen Seite wenige Menschen, die auch essen. Das Problem greift in dem Moment, wo derjenige, der seit ewigen Zeiten die Menükarte studiert hat, vergessen hat, dass er gar nicht isst. Das ist eine Grundsituation, in der sich der verstehende und nicht erkennende westliche Mensch wiederfindet, eine Situation, auf die insbesondere östliche Meister immer wieder hindeuten.

Ich schaue immer ganz gerne, um die Bedeutung eines Wortes zu erkunden, in die eigentliche Herkunft dieses Wortes. Erkennen hat eine indogermanische Wurzel und heißt tatsächlich so etwa: „schauen“, „erblicken“, während in dem Wort verstehen die Vorsilbe „ver“, eine gotische Wurzel besitzt, die eigentlich heißt: „weg“, „vorbei“ oder „heraus“. So könnte ich von einem höchsten Standpunkt aus gesprochen, „verstehen“ auch als ein Vorbeisehen oder sogar als ein Wegsehen beschreiben. Um das näher zu verstehen oder auch nicht zu verstehen, sondern vielmehr zu erkennen, möchte ich noch etwas sagen über die Beziehung des Denkers zur Realität.

Es gibt einen Satz des Hirnforschers Gerhard Roth, der sagt: „Die Wahrnehmung eines Baumes ist nicht gleich der Beschaffenheit eines Baumes.“ Ich würde das in meinen Worten etwas anders ausdrücken. Der denkende Geist, das denkende Ich, kann einen Baum nicht wahrnehmen, weil es bereits seine Vorstellung von diesem Baum hat. Ich will damit sagen, dass der Prozess, den wir Wahrnehmung nennen, was ja im ursprünglichen Sinne bedeutet „die Wahrheit zu nehmen“, dass dieser Prozess nicht Wahrnehmen im ursprünglichen Sinne ist, dass Menschen nicht mehr wahrnehmen, sondern dass der Denker immer wieder nur seine eigenen Denkkonstrukte wahrnehmen kann.

Was ich damit sagen will, ist, dass der Denker, der scheinbar abgetrennt ist von der Einheit des Lebens, nur die von ihm selbst produzierten Ideen wahrnehmen kann, die zu jeder Zeit die Wahrnehmung eines Menschen überlagern. Vielleicht ist es noch einfacher, wenn ich noch ein anderes Beispiel gebe als das des Baumes.

Nehmen wir einfach mal den Moment, in dem du einem anderen Menschen begegnest. Ich sage: du begegnest diesem Menschen nicht. Du kannst zunächst diesem Menschen nicht begegnen und nicht wissen, wer er ist, weil du in dem Moment, wo du ihm begegnest, bereits, wenn auch nicht vollständig bewusst, eine Vorstellung, ein Urteil, eine Einschätzung, wie ich harmlos sagen könnte, eine Geschichte von diesem Menschen, eine Idee von diesem Menschen hast, eine Annahme, eine Einordnung, eine Kategorisierung, eine Idee, die das Resultat ist einer Vergangenheit, die eine Ansammlung von Vorstellungen über das Leben ist. Was würde es bedeuten, diese Parallelwelt, in der das denkende Ich lebt, zu verlassen und in die Realität vorzustoßen? Wie ist das möglich? Ich möchte eine Aussage machen, die für viele sicherlich sehr krass ist, aber in der genauen Unterscheidung zwischen Verstehen und Erkennen sehr deutlich wird, nämlich: „das denkende Ich eines Menschen ist in sich nicht erkenntnisfähig, es ist sehr wohl verständnisfähig, aber nicht erkenntnisfähig, denn Erkenntnis, so wie ich sie in diesem Augenblick benennen möchte, ist die Berührung dieses Denkers mit dem, was ich das universelle Bewusstsein nenne, das das beschränkte Bewusstsein eines individuellen Denkers weit übersteigt.

Wir haben im Westen eine abendländische philosophische Tradition des Verstehens. Während sich die morgenländische Tradition mehr der Kontemplation, der Versenkung zugewandt hat, haben wir Abendländischen eine Tradition manchmal recht monumentaler Denkwerke und Konzepte über das Leben und die Welt, die, und das ist jetzt sehr wichtig zu betonen, ja im Wesentlichen von Männern geschaffen worden sind. Es ist doch auffällig, dass die großen Denker der abendländischen Tradition fast ausschließlich Männer waren. Und diese abendländische Tradition der Philosophie ist nicht getrennt zu sehen von der Jahrtausende alten christlichen Tradition, die zwar mit Unterbrechungen, aber doch immer weiter im Laufe der Jahrhunderte ebenfalls von Männern beherrscht worden ist. Dementsprechend ist sie von einem patriarchalen Denken beherrscht worden, das das Verstehen des Menschen über die Generationen weiter und weiter eingeschränkt hat.

Die Zeitschrift „Der Spiegel“ begann das Jahr 2004 mit einer Ausgabe über das Projekt „Aufklärung“ 200 Jahre nach Kant, dessen „Kritik der reinen Vernunft“ geradezu symbolisch steht für das Projekt „Aufklärung“, das nach meinem Verständnis keinesfalls in ein anderes Zeitalter übergegangen ist, sondern vielmehr andauert. Es ist ja Kants Maxime gewesen, so wie die Maxime auch anderer großer Philosophen dieser Tradition, dass nur ein skeptischer Geist, nur ein skeptischer Denker ein gesunder Denker ist. Wir haben es der Aufklärung und dem Projekt „Aufklärung“ zu verdanken, dass diese Gesellschaft befreit worden ist von den dunklen Machenschaften religiösen Aberglaubens und all der Gewalt, die im Namen eines vermeintlichen Gottes ausgeübt worden ist. Dafür können wir dem Projekt „Aufklärung“ dankbar sein. Die Frage ist nur, wer klärt die Aufklärung auf? Denn tatsächlich ist die Möglichkeit des skeptischen Denkers, der mit seiner Denkbemühung versucht, zum Wesen der Dinge vorzudringen, äußerst begrenzt, denn der denkende Geist, dieses denkende Ich kann sich letzten Endes nicht selbst in Frage stellen, auch wenn von Kant und anderen immer wieder betont worden ist, dass der Skeptiker auch immer wieder bereit sein müsse, sich selbst in Frage zu stellen.

Meine Aussage zu Beginn war jedoch, dass der Denker nur sich selbst analysieren kann und das, was er selbst hervorbringt und in einer Art parallelen Welt zum wirklichen Leben lebt. In einer Ideenwelt eben. Wir werden uns dem weiter annähern. Um über dieses Projekt „Aufklärung“ noch ein paar letzte Worte zu verlieren: wir befinden uns im Moment eigentlich in einer atheistischen Gesellschaft, die von der Herrschaft des religiösen Dogmatismus befreit worden ist, und ich habe schon in verschiedenen Vorträgen darüber gesprochen, dass diese Situation für uns und für jeden westlichen Menschen eine große Herausforderung darstellt. Es ist wie ein offener Raum, ein Vakuum, das mir erlaubt, mich frank und frei in innerer Wissenschaft auf den Weg zu machen und die Wahrheit über Gott, über das Sein, über das, was ich bin, über die Wahrheit nackt und unbelastet selbst zu erforschen. Das ist die große Chance, die Herausforderung, die gleichzeitig ein Vakuum ist, das das Projekt „Aufklärung“ hinterlassen hat, und das wenig Unterstützung bietet.

 Auszug aus einem Vortrag von OM C. Parkin vom 12.1.04 in Hamburg.
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