Es gibt Menschen, die behaupten, sie hätten keine Angst vor dem Tod. Es ist eine Lüge, eine Verleugnung. In der Tiefe ist immer die tiefgreifende Angst vor dem Tod. Hinter jeder Angst vor den kleinen Katastrophen des Alltags steht die Angst vor dieser einen großen Katastrophe: Die Vernichtung unserer selbst, die Auslöschung, der Tod, das Nicht-sein.
Natürlich glauben wir zu wissen, dass wir sterben, aber in Wirklichkeit wissen wir es nicht. Wir wissen nichts über den Tod. Alles was wir wissen ist eine Ansammlung von Bildern, die wir aus dem religiösen Kollektiv übernommen haben, von Lehrern der Vergangenheit, von den Eltern, oder es ist einfach Produkt unserer freien Phantasie, unserer Ängste, unserer Kampfeshaltung, oder was auch immer dahinter steht.
Dieser Geist, der sich für "Ich" ausgibt, ist wie ein kleines Kind, das zugleich größenwahnsinnig ist. Größenwahnsinnig in seinem Glauben, dem Tod irgendwie von der Schippe springen zu können, überleben zu können. Wir haben kein natürliches Verhältnis zum Tod. Wir respektieren ihn nicht. Und deshalb erkennen wir ihn nicht als den wahren Meister, der die Schwelle, der Eintritt, die Offenbarung des Endes ist. Und dieses Ende ist das Ende des Leidens. Das Ende der persönlichen Geschichte. Und das Ende der Identität als diese persönliche Geschichte.
Den Tod interessiert es nicht, ob du ihn respektierst oder nicht. Er holt diesen Organismus sowieso, wenn es Zeit ist. Wenn du das akzeptierst, tritt eine tiefe innere Entspannung ein. Wenn ein Mensch frei ist von der Angst vor dem Tod, wenn ein Mensch frei ist von jeglicher Vergänglichkeit, und damit auch frei vom Wunsch überhaupt zu überleben, dann ist ein Zustand inneren Friedens erreicht, der bleibt und der unberührt ist von Schwierigkeiten des äußeren Lebens. Im Ende des Werdens sind Leben und Tod genau dasselbe. Alle Unterschiede zwischen Leben und Tod, zwischen Lebendigkeit und Unlebendigkeit, all diese Unterschiede lösen sich vollkommen auf im Sein. Weil es Unterschiede sind, die nicht in Wirklichkeit existieren, sondern Unterschiede, die vom denkenden Geist geschaffen worden sind. Und alles, was vom Denken geschaffen worden ist, ist eine Illusion seiner selbst. Nichts, als ein Gedanke.
Ich selbst bin am 6. August 1990 unvermutet und unfreiwillig dem Tod begegnet. Es scheint heute, als würde ich nur über den Tod sprechen. Und tatsächlich bin ich dazu prädestiniert. Man könnte sagen, ich sitze hier, um diese Begegnung mit dem Tod, die ich unfreiwillig erfuhr, den Menschen als freiwillige Begegnung zu vermitteln. Denn die Begegnung mit dem Tod ist eine Begegnung, die absolut essentiell ist für jeden Menschen. Ich meine nicht das Anschauen eines toten Körpers, ich meine die Begegnung mit dem Tod selbst. Dem Tod als dem Eintritt in ein unvergängliches, ewiges Bewusstsein, das keinen Anfang und kein Ende kennt.
Ich fiel nach einem Autounfall in den Zustand eines klinischen Todes und wachte dann aus einem Koma wieder auf. Und in dem Moment des Erwachens war nichts mehr so, wie es vorher war. Die Identität hatte sich aufgelöst, ohne dass ein Bewusstsein darüber da war, wie das geschehen konnte. Es waren einfach nur noch Bilder, Gefühle, Empfindungen da - aber es gab keine Person mehr, keine Identität mit diesem Körper. Und Gnade hat mich tatsächlich nach diesem Unfall zu einer Meisterin geführt, die verhindern konnte, dass diese Erfahrung von vorübergehender Natur war. Sie vermittelte mir das Verständnis, dass es sich nicht um eine beliebige Erfahrung handelte, sondern um eine Einsicht in die wahre Natur dessen, was ich BIN.
Für mich war diese Begegnung mit dem Tod in jeder Hinsicht mit sehr viel Schmerzen verbunden. Es ist selbstverständlich nicht notwendig, durch einen solch schmerzhaften und gewaltsamen Prozess zu gehen. Dennoch hat sich im Laufe der Zeit das Verständnis vertieft, dass kein Mensch, der einen tiefen und aufrichtigen Wunsch nach Freiheit in sich verspürt - an dieser Begegnung mit dem Tod vorbeikommt. Meister aller Generationen haben immer wieder den Satz gesprochen: "Stirb bevor du stirbst." Dies ist kein theoretisches Konzept, sondern Ausdruck einer unzweifelhaften Erfahrung. Das Zusammensein mit mir ist eine Einladung dazu.
Wusstest du eigentlich, dass der persönliche Lehrer auch eine Form ist, in der der Tod erscheint? So ist der spirituelle Weg und die Begleitung auf dem Weg tatsächlich eine Begleitung in den Tod, und in die Widerstände gegen den Tod und in die Arroganz und in die Befürchtungen, die der Geist zunächst vor den Tod gestellt hat. Der spirituelle Weg braucht die Bereitschaft zu lernen - von einer höheren Kraft, die nicht vom Ich gesteuert werden kann. Es braucht die Bereitschaft, zu verlieren, was wir glauben bereits gewonnen zu haben. Wir haben kein wirklich positives Verhältnis zu einem Moment des Verlustes. Wir haben den Wert des Verlustes nicht gelernt, so dass wir diesen Wert innerlich erst neu erfahren müssen, die Öffnung, die Befreiung, und im wahrsten Sinne des Wortes die Ent-Lastung erfahren müssen, die innerer Verlust von Verhaftung, von Bindung, von Identifikation mit sich bringt.
Wir sind wie Bettler, die an ihrem letzten Hemd festhalten, obwohl wir in Wahrheit in einem Königreich der Fülle stehen, einer Fülle, die wir nicht erkennen können, weil wir so beschäftigt sind, um unser letztes Hemd zu kämpfen. Der Weg in den Tod ist der Weg des Verlierens, es ist der Weg des Aufgebens und Nichts-dafür-Bekommens. Aber ich könnte auch sagen: Wir bekommen alles, all das, was wir uns wünschten, aber nicht in Worte fassen konnten - und das ist nicht mehr und nicht weniger als die letzte Erkenntnis über DAS, was wir wirklich sind. Das ist die einzige wirkliche Freiheit die es gibt. Es ist eine endgültige innere Erfahrung, die das, was du dein Leben nanntest, vollkommen verändern wird. Der Tod verändert alles, was du jemals erfahren hast.
Absolute innere Freiheit kann nur durch den Tod gegangen sein, und dieser Tod lässt nichts und niemanden aus. Können wir das schätzen? Dass der Tod eine Kraft ist, die so endgültig ist, die so mächtig ist, dass sie nichts auslässt? Nichts in der relativen Welt entkommt ihr, ihr entgeht gar nichts. Die Endgültigkeit des Todes erlaubt nicht, dass Spuren hinterlassen werden, Spuren von Unfreiheit, Spuren von Gebundenheit, die wir in unserer Geschichte hinterlassen haben. Der Tod ist ein radikaler Moment, ein absoluter Moment, ein endgültiger Moment. Wir können uns dieser Endgültigkeit annähern, wenn wir beginnen zu ahnen, was der Tod überhaupt bedeuten könnte für uns.
Dieser Raum der Ahnung öffnet sich in deiner Bereitschaft, dich einzulassen. Dieser Raum öffnet sich in deiner Bereitschaft, dich berühren zu lassen, innerlich näher zu kommen, zu spüren, was da in dir brodelt, was aufsteigen möchte, was bisher vermieden worden ist. Der Verstand ist nicht in der Lage, sich die Freiheit des Todes vorzustellen, der Verstand ist nicht in der Lage, die Schwelle des Todes zu überschreiten und damit auch nur den geringsten Einblick in das vorzunehmen, was jenseits dieser Schwelle ist.
Der Einblick in den Tod, das Überschreiten dieser Schwelle des Todes, innerlich, hat nichts mit dem Tod des Körpers zu tun - gar nichts. Tatsächlich ist der Tod der Eintritt in all das, was wir auch nennen: Freiheit, Liebe, Glückseligkeit, innere Stille, das Selbst, das Wesen meiner Selbst. Der Tod ist sanft. Grausam ist, was wir in den Tod hinein phantasiert haben. Alle Ängste vor dem Tod sind Folgen unserer eigenen Phantasien, mit denen wir diesen Raum gefüllt haben, den wir nicht kennen. Die Wirklichkeit über den Tod ist, dass der Tod von unendlicher Zartheit ist, von unendlicher Sanftheit. Es gibt dort keine Spur von Gewalt. Der Tod ist ein Übertritt in das, was immer war, was immer ist, und was immer sein wird.